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Mumbai, die quirlige Megacity mit Herz

 

Bevor ich über die MegaMetropole Mumbai / Bombay überhaupt schreiben kann, müssen erst einmal Bilder sprechen. Diese Stadt und ihr kompletter Spirit besticht durch die Menschen, die in dieser Megacity leben – eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt mit 28,4 Millionen Einwohner in der Mumbai Metropolitan Region (MMR).

Mumbaiker mit Herz

Mumbai, die Megacity mit Herz ist bei weitem mehr als nur Finanzmetropole Indiens, eine Stadt, die nicht erst nach dem Film Slumdog Millionär schnell mit Elend verbunden wird oder nach den Terrorattacken in 2008 als gefährlich gilt. Wie will man eine Stadt beschreiben, die unendlich viele Facetten hat.

Ich werde einfach mal versuchen, meine persönliche Sicht auf diese Stadt wiederzugeben. Als ich das allererste Mal nach Bombay kam, landete ich mitten in der Nacht und fuhr zum Hotel entlang des Marine Drives. Blicke in die Wohnungen der runtergekommenen Häuser machten mich neugierig und ich fragte mich, wie mag es wohl in diesen Häusern aussehen? Wie lebt es sich in einem Land voller Widersprüche? Jahre später wohnte ich tatsächlich für knapp 2 Jahre in Bombay oder Mumbai wie es seit September 1996 heisst. Seit dem 16. Jahrhundert wurde die schöne Buchte von portugiesischen Seefahrern bom baía, die „schöne Bucht“ genannt. Die sprachlich schmerzbefreiten Engländer machten daraus kurzerhand Bombay.

Kolonialer Charme in Bombay

Über die Jahrhunderte wuchs die Hafenniederlassung unter diesem Namen zur Weltstadt heran, bis fünf Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit Indiens Shiv Sena auf den Plan trat, eine nationalistische Partei, die in den 1990er-Jahren die Regierung im Bundesstaat Maharashtra stellte und noch heute rege mitmischt.
Diese Partei wollte sich dem kolonialen Mief entledigen und so griff Shiv Sena für die Umbenennung in die Trickkiste – und schlug eine Kombination vor aus der Göttin Mumbadevi, kurz „Mumba“, und aus „Aai“, Marathi für „Mutter“. Mumbai war geboren. Bis heute spricht man von Bombay und schreibt man Mumbai besonders dann, wenn man mit Behörden zu tun hat. Nichts desto trotz ist es schon sehr interessant, dass die größte englischsprachige Tageszeitung des Landes zwar in „Mumbai“ erscheint, aber ihre populäre Klatschbeilage über Bollywoodstars und -sternchen bis heute „Bombay Times“ nennt.

Und wenn man am internationalen Flughafen der Stadt landet, so heisst er zwar nach dem Marathenkönig benannt Chhatrapati Shivaji International Airport, aber bis auf weiteres ist der 3-Letter-Code für diesen Airport „BOM“.

Wie dem auch sei Mumbaiker oder Bombayites sind unglaublich warmherzige Menschen und scheinen das Leben zu lieben.

Doch was ist es genau, was so liebenswert ist? Eine Megametropole, um genau zu sein, die sechstgrößte Metropolregion der Welt liegt auf der Insel Salsette vor der Westküste Maharashtras. Das Stadtzentrum ist auf einem schmalen Landstreifen, der von der sumpfigen Küste in das Arabische Meer hineinragt. 12,5 Millionen Einwohnern in der eigentlichen Stadt und zählt man die Vororte dazu kommt man 18,4 Millionen Einwohnern in der „Mumbai Metropolitan Region“ (MMR), die auch die nördlichen Gebiete mit der Stadt Thane einschließt. Macht die Größe der Stadt sie sympathisch? Für viele Menschen sicherlich nicht. Ist es vielleicht die Energie der Mumbaiker immer neue Wege zu gehen, um etwas zu verändern und doch irgendwie beim Alten zu bleiben?

Schaut man auf die Skyline von Bombay, dann sieht es auf dem Marine Drive zunächst einmal so aus, als würde sich gar nichts ändern. Jeden Abend erstrahlt Queens Necklace, die Perlenkette der Lichter entlang der Promenade im Süden der Stadt und zieht die Menschen an wie Moskitos vom Licht magnetisch angezogen werden. Der entspannte Blick auf das Meer ist, wird heute mit unzähligen Selfies gekrönt.

Tiefe Blicke in die Stadt

Doch wo immer möglich werden alte Gebäude abgerissen, Menschen temporär umgesiedelt, um dann noch mehr Platz durch höhere Gebäude zu schaffen. Die alten Bewohner können dann zwar wieder in das neu gebaute Hochhaus zurücksiedeln, aber der Bauträger hat natürlich auch eine fette Scheibe Gewinn mit dem Verkauf neuer Wohnungen gemacht. Guter Wohnraum ist beschränkt und teuer. Indien ist schon lange kein Billigland mehr und zeitweilig gehörten  speziell hier unten im Süden der Stadt die Immobilienpreise zu den 10 höchsten der Welt.

Eines der kontroversesten Gebäude ist Antilia. Der Wohnhochhaus, das einem der reichsten Inder der Welt gehört, Mukesh Ambani. An diesem Haus ist irgendwie alles Besonders: Das Gebäude wurde im November 2010 eingeweiht. Mit einer Höhe von 173 Meter kommt Antilia gerade mal auf 27 Stockwerke dank einer besonderer Deckenhöhe; normale Hochhäuser dieser Höhe hätten zwischen 40 und 50 Stockwerke. Die Baukosten beliefen sich ca. auf 1 Milliarde US Dollar und 600 Personen halten den „Apparat“ am laufen, damit es der Familie Ambani mit ihren drei Kindern und Mukesh Ambanis Mutter an nichts fehlt.

Ein kleines Kino mit einer Kapazität von 50 Plätzen im achten Stockwerk, drei bis vier Etagen mit hängenden Gärten, eine Panoramaplattform mit Blick auf das Arabische Meer und die Skyline von Mumbai. Ein Wellnessetage mit Swimmingpool, Jacuzzi, Yogastudio, Fitnessraum, einem SPA mit einen „Eisraum“, in dem Schnee von der Decke schneit, um sich von der tropischen Hitze in Mumbai abzukühlen, sowie 3 Hubschrauberlandeplätze und einem Parkhaus mit 168 Stellplätzen für die Familie und für Gäste sind nur ein paar Highlights von Antilia bevor einem ganz schwindelig wird.

Bombay ist ein Ort für „Show off“, zeigen was man hat, wenn man es hat. Es ist aber auch gleichzeitig ein Ort, der tägliche neue Menschen anzieht, aber nicht jeder schafft den Sprung und so klafft natürlich die Schere weit auf zwischen reich und arm. Der Anblick von Armut kann manchmal echte Panikattacken auslösen, vor allem wenn man nichts Vergleichbares vor dem ersten Indienbesuch gesehen hat. Aber bei meinen Besuchen in Dharavi, dem größten Slum der Stadt (Drehort für Slumdog Millionär) habe ich immer die tollsten und optimistischsten Menschen mit dem breitesten Lachen getroffen. Wenn einem dabei dann das Herz nicht aufgeht, wann soll es dann passieren? Trotz aller Aussichtslosigkeit, geben sich die Menschen hier nicht auf und Optimismus ist das Mantra des Tages.

In Zeiten von heftigen Regengüssen während des Monsoons habe ich immer wieder Szenen erlebt, die man nicht für möglich hält. Menschen sitzen über Stunden im Auto kommen kaum einen Zentimeter weiter und die fliegenden Händler am Strassenrand haben nichts besseres zu tun, als die „Gestrandeten“ mit Essen und Getränken völlig unentgeltlich zu versorgen. Passanten scheinen es manchmal regelrecht zu geniessen, in den Wassermassen durch die Strassen zu gehen und immer lächeln einem die Menschen entgegen.

Das wuselige Treiben der Stadt zieht einen in seinen Bann. Irgendwie ist immer etwas los. Partys, die hier gefeiert werden, sprengen manchmal alle Vorstellungen und die Lebenslust wird zum Feuerwerk der Emotionen. Speziell in Bombay habe ich immer extrem viel Unterstützung erfahren und zu keiner Zeit habe ich mich unsicher gefühlt. Das dies vielleicht nur ein vordergründiges Sicherheitsempfinden ist, mag sein, aber sicher ist definitiv, der Mumbaiker strahlt Positivismus und Lebensfreude aus, die auf den Besucher überspringt und vielleicht ist es Bollywood und dessen Glanz. Träume rücken in die Nähe des Erreichbaren und Menschen haben Visionen.

Eine für mich unglaubliche Erfahrung war die Unterhaltung mit einem rüstigen 95 Jährigen an seinem Geburtstag, der sich nichts mehr wünscht als noch mal 70 sein, um dann seine Vision umsetzen, nämlich Armut in der Welt beseitigen, in dem alle reichsten Menschen der Welt einfach nur 10% ihres Reichtums abgeben. Dieses Geld zur Beseitigung der Armut würde bedingungslos eingesetzt werden, um die irdischen Bedingungen für Alle zu verbessern. Nach Ansicht dieses Mannes gehören diese 10% sprichwörtlich eigentlich Gott und somit wäre der GWF (God’s Welfare Fund) damit zu schaffen. Im Gegenzug würden die Geldgeber mit Gottes Wohlwollen beschenkt und sich Gott näher bringen und gleichzeitig Lichtritter werden.

Nun mag man sagen was man möchte zu solchen Gedankengängen, aber die Quinessenz, die ich davon mitnahm, hat mich ein Stück weiter im Leben getragen: Der Glaube stirbt zuletzt und mit Willenskraft und einer Vision können manchmal Berge versetzt werden. Bombay ist ein Ort, der diese unglaublich positive Energie in sich trägt und weitergibt. Ein Ort voller inspirierender Gegensätze.

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